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Nimmerland

Renate Hupfeld

 

Wie linkisch der Bengel ihn aus den Augenwinkeln ansah. Kalt wie seine Mutter. In allen seinen Bewegungen war sie. Leon war ihr Verbündeter. Wie er Roberts Bierflasche fixierte. Ja, das war sie. Ihr abschätzender Blick. Womöglich führte der Mistkerl Buch über seinen Alkoholkonsum und berichtete ihr dann. Nicht zu glauben. Hatte er den zerknautschten Winzling nicht gleich nach der Geburt gewickelt und ihm das kleine Jäckchen angezogen? Vor neun Jahren? Den Namen ausgesucht? Leon, der kleine Löwe? Jahrelang herumgeschleppt, ihm das Laufen beigebracht, ihn an die Hand genommen und ihm alles erklärt? Und jetzt? Aus Löwenkämpfchen war bitterer Ernst geworden und das tat verdammt weh.

Robert drehte die Flasche in der Hand, zerrte an dem Etikett und begann kleine Fitzel abzureißen. Jedes Mal das Theater, wenn er die Kinder sehen wollte. Wie ein Bittsteller kam er sich vor. Nervige Diskussionen am Telefon. Schnupfen, Husten, Fieber, Kino. Einladung, Freund, Freundin. Jede Ausrede ein neuer Papierfitzel auf dem Tisch. Sie brauchte ihn doch nur als Unterhaltszahler. Wozu arbeitete er eigentlich noch? Damit sie sich ein schönes Leben machen konnte. Dieses verdammte Luder hatte nichts anderes im Kopf, als ihm das Geld aus der Tasche zu ziehen und ihm die Kinder zu entfremden. Am Ende würden sie ihn gar nicht mehr sehen wollen. War es denn nicht schon so? Sinnlos war alles geworden. Er trank die Flasche leer und holte eine neue aus dem Kühlschrank.
Sohnemann hatte sich nach ein paar Bissen vom Tisch entfernt und wieder in der Sofaecke hinter seinem Buch verkrochen. Seine kleine Schwester hatte auch keinen Hunger mehr. Sie kramte in der Spielzeugkiste herum. Normale Kinder spielten nach dem Abendessen mit ihren Vätern Fußball am Strand. Doch diese hier waren nicht normal, verdorben waren die. Nichts wollten sie mit ihm machen, ließen ihn ganz allein am Tisch sitzen. Robert räumte ab. Den Rest Spagetti und die Tomatensoße schüttete er in den Abfalleimer, stellte die Schüsseln zu den Tellern in das Spülbecken und warf nicht benutztes Besteck in die Schublade. Wozu kümmerte er sich eigentlich noch um diesen ganzen Mist? Sollten sie doch ihre Hamburger und  Pommes von Papptellern essen. Süßigkeiten aßen sie sowieso heimlich und würden ihrer bekloppten Mutter haarklein erzählen, dass es bei Papa wieder nichts Ordentliches zu Essen gab. Nur Ungesundes. Na und?
Er schaute hinaus in die Brandung. Diesen Urlaub hatte er sich wahrlich anders vorgestellt...

 

Der gesamte Text ist zu lesen in der Literaturzeitschrift


Schreib-Lust Print  -  Jg. 4, Ausg.12, Februar 2008

 

 

 

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 ©Renate Hupfeld

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23. Februar 2008

 

 
 

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